Bogida, ein Rückblick, Kommentar und Ausblick – auch auf öffentliche Berichterstattung

18. Dezember 2014

Gut das  jemand mal zusammenfasst…….

welche Worte, Ausdrücke und Weltbilder bei der Bogida Demo am Montag wirklich gefallen sind und Stellung dazu nimmt was die öffentlichen Medien berichten.

Das scheint doch weit weck zu sein vom besorgten Bürgertum und die Medien verkennen die Lage?.

 

Leserbrief zum Kommentar „Bedrohliche Szenen“ von Rüdiger Franz vom 15.12.2014 und zur Berichterstattung des GA rund um die Vorkommnisse am Kaiserplatz

Der folgende Leserbrief ist sprachlich als geschlechtlich neutral zu verstehen.

Hat der GA den Kompass verloren?

Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion des Bonner General-Anzeigers, sehr geehrter Herr Franz,

mit Befremden las ich heute Ihren Kommentar „Bedrohliche Szenen“, der sich auf die gestrige Bogida-Demonstration und die Gegendemonstration „Bonn stellt sich quer“ bezieht.

Befremden verspüre ich deshalb, weil es mir unverständlich erscheint, wie schwer es dem Urheber jener Zeilen fällt, die Vorkommnisse am Bonner Kaiserplatz einzuordnen und sich klar zu positionieren. Dies umso mehr als die Bogida-Veranstalter den deutschen Journalismus und die Journalisten und Journalistinnen als „Huren“ beschimpften und auch sonst die Presse regelmäßig boykottieren.

Während es mir einleuchtet, dass ein Kommentar in der Zeitung absichtlich zuspitzt und es mir bekannt ist, dass der General-Anzeiger Bonn es (weise) vermeidet, vorschnell (politisch) Position zu beziehen, hinterließen Ihre Zeilen wiederum bei mir ein Gefühl der Bedrohung zurück. Dies deshalb, weil Ihr Kommentar den Eindruck erweckt, Sie und das angesprochene Bonner Bürgertum hätten mit diesem vermeintlich bedrohlichem Schauspiel nichts zu tun. Als würden hier Randbereiche der Gesellschaft auf sich aufmerksam machen wollen; dabei zielen Veranstaltungen wie die der Bogida gerade auf die vermeintliche Mitte der Gesellschaft ab. Verstecken gilt also nicht, auch wenn es lästig ist.

Sie schreiben in Ihrem Kommentar, „[D]as (gemeint ist die beängstigende Situation, Anm. des Unterzeichners) gilt für diejenigen, die unter der Flagge der “Toleranz” das Demonstrationsrecht anderer im Wortsinne blockieren.“

Dies ist an sich bereits nicht richtig: Das im Grundgesetz verankerte Demonstrationsrecht verleiht keinen Anspruch auf bestimmte Demonstrationsrouten. Demonstrationsrouten werden auf Grundlage des Versammlungsgesetzes mit der zuständigen Polizeibehörde besprochen und NACH MÖGLICHKEIT beschritten. Ist die Beschreitung einer bestimmten Demonstrationsroute nicht möglich, so ist den Teilnehmern der Demonstration auf sonstige Weise die Ausübung des Demonstrationsrechts zu ermöglichen.

In ständiger Rechtsprechung betonen höchstrichterliche Entscheidungen, dass dem Demonstrationsrecht auch dadurch genüge getan wird, dass eine friedliche Versammlung unter freiem Himmel an zentralen Punkten einer Ortschaft mit freier Meinungsäußerung möglich sein muss. Darüber hinaus gehende Ansprüche bestehen regelmäßig nicht.

Ich war gestern am Kaiserplatz anwesend und kann Ihnen – der offensichtlich nicht vor Ort war – berichten, dass die Bogida-Demonstranten über zwei Stunden lang mitten auf dem Kaiserplatz neben dem Denkmal Reden gehalten, Menschengruppen verunglimpft und Angst und Hass gesät haben. Dass diese Demonstranten also ihr verfassungsmäßiges Recht auf Demonstration unter freiem Himmel nicht wahrnehmen konnten, ist eine Sichtweise, die mir sehr befremdlich erscheint.

Genauso verwundert es mich, dass Bogida-Demonstranten und Gegendemonstranten eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses offensichtlich undifferenziert dargestellt werden. Wenngleich Sie vielleicht nicht vor Ort waren, so kann ich Ihnen berichten, dass viele der von der Bogida-Versammlung vorgetragenen Reden (Hetze wäre wohl treffender), gewählte Volksvertreter und amtierende Vize-Kanzler verunglimpften und mit „Vaterlandverräter“ titulierten; darunter bspw. die Spitzen der Grünen oder auch Wirtschaftsminister Gabriel. Nicht zuletzt aus diesem Grund ermittelt mittlerweile auch der Staatsschutz gegen die Veranstalter der Bogida-Versammlung. Zu diesen Veranstaltern gehört im Übrigen auch Melanie Dittmar, eine Pro-NRW-Funktionärin und ehemaliges NPD-Jugendmitglied, die wohl nicht zu Unrecht vom Verfassungsschutz des Landes NRW beobachtet wird. Ein Umstand, der von der Betreffenden gestern im Übrigen stolz betont wurde.

Es mag sein, dass unter den Teilnehmern dieser Versammlung auch „Bürger“ waren, die bislang nicht durch irgendwelche Phobien oder rechtsextreme Einstellungen aufgefallen sind. Allerdings hatten auch diese „Bürger“ die Möglichkeit, sich von der perfiden und menschenverachtenden Einstellung der Bogida-Organisatoren zu überzeugen. Jemand der nach der gestrigen Veranstaltung immer noch behauptet, diese Veranstalter seien nicht demokratiefeindlich eingestellt, der wird nunmal zum Glück noch von vielen Menschen nur ein Kopfschütteln ernten.

Auf der anderen Seite, Herr Franz, fanden sich neben den 30 versprengten Antifa-Aktivisten, auf die im General-Anzeiger besonders abgestellt wird, fast 2000 Bürger und Bürgerinnen der Stadt ein, die nicht nur unter der Flagge der „Toleranz“, sondern mit der Überzeugung, dass die Verbreitung von Angst und Schrecken keine Probleme löst, sich dieser faschistischen Versammlung entgegenstellten.

Wenn der General-Anzeiger der Meinung ist, gestern habe nicht die Mitte der Gesellschaft Farbe bekannt, sondern lediglich Antifa-Aktivisten oder sonstige übliche Verdächtige, so kann ich mir dies in der Tat nur so erklären, dass Sie nicht vor Ort waren:

Als deutsch-griechischer Bundesbeamter stand und tanzte ich in einer Reihe mit Arbeitern und Angestellten, Studenten, Schülern, Arbeitslosen, Deutschen, Migranten, arm und reich, dick und dünn. Wenn diese Menschen nicht zentraler Teil des Bonner Bürgertums sind, dann frage ich mich, wie das Bonner Bürgertum zu beschreiben ist.

Diese Gegendemonstration wurde von allen Fraktionen (außer der rechtspopulistischen AfD) des Stadtrats, den Gewerkschaften, der evangelischen Kirche im Rheinland und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt. Wie man auf die Idee kommen kann, diese Versammlungsgruppen auch aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Bedrohung gleichzustellen, bleibt mir ein Rätsel.

Darf ich Sie darüber aufklären, dass Redner der gestrigen Bogida-Versammlung die Behauptung in die Welt setzten, ohne die SPD, hätte es den 1. Weltkrieg nicht gegeben und dass wir in Deutschland kurz vor einer sozialistischen Revolution stehen? Ist es nicht empörend, wenn in aller Öffentlichkeit falsche Behauptungen aufgestellt werden, indem bspw. behauptet wird, die evangelische Kirche habe im Dritten Reich das Hakenkreuz getragen? Ist es nicht bestürzend offensichtlich, dass sich der Sprachgebrauch der Bogida-Redner bei den Unwörtern der Nationalsozialisten und der Völkischen bedient? Ich denke den Begriff der “Ausrottung” hörte ich gestern unzählige Male. Darf ich Sie daran erinnern, dass es nicht Muslime – und bislang auch nicht Salafisten – waren, die ein ganzes Jahrzehnt lang mordend durch Deutschland gezogen sind, sondern der Nationalsozialistische Untergrund?

Wo waren diese vermeintlich verängstigten Bogida-Bürger damals? Hatten sie da keine Angst? Und wenn nicht, warum?

Haben Sie gestern auf Seiten der Gegendemonstranten Parolen und Verleumdungen jener oben beschriebenen Qualität vernommen? Ich war gestern da und konnte mich davon überzeugen, dass unter den Bogida-Teilnehmern ganz offensichtlich viele rechtsradikale, antidemokratische und gewaltbereite Individuen waren. Es ist kaum zu akzeptieren, dass Sie die friedlichen, bunten Gegendemonstranten mit diesen Menschen gleichsetzen und das Bonner Bürgertum als verschüchterte Beobachter der Szenerie beschreiben. Es wirkt biedermeierlich.

Anstatt in Ihrem Artikel weiter ein Gefühl der Bedrohung bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt zu schüren („Bedrohliche Szenen“), sollten Sie vielleicht als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie und als beruflich Betroffener (Journalist als „Hure“, Zitat: Bogida), in Solidarität Ihre Möglichkeiten nutzen, um Stolz und Erleichterung zum Ausdruck zu bringen, dass es Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt (vorerst) geschafft haben, diese menschenverachtende Ideologie der Bogida in zumindest räumliche Schranken zu weisen – und zwar ganz ohne Gewalt.

Bonn ist UN-Stadt, Bonn ist rheinisch, bunt und weltoffen, oder wollen wir wirklich Verhältnisse haben, wie sie gestern zeitgleich in Dresden zu beobachten waren?

Faschisten haben in Bonn und Umgebung keinen Platz; sie werden es erneut versuchen, sie werden auch in Zukunft keinen Meter Boden gewinnen. Und dies hat nichts mit der Missachtung eines falsch interpretierten Demonstrationsrechts zu tun, sondern mit der Verteidigung und Bestätigung wahrlich demokratischer Grundwerte (und hierzu gehört i.Ü. auch das Asylrecht des Grundgesetzes).

Deshalb mein Appell an die Redaktion des GA und an Sie, Herr Franz: Schüren Sie nicht weiter Ängste, verharmlosen Sie nicht diese menschenverachtende Versammlung! Ermutigen Sie stattdessen unsere Bonner Bürgerinnen und Bürger, sich zu informieren und angstfrei für den Frieden, die Völkerverständigung und die Offenheit unserer Gesellschaft auf die Straße zu gehen, und all jene mit legitimen Mitteln in die Schranken zu weisen, die andere Menschen für ihre faschistische Ideologie instrumentalisieren und wieder andere entmenschlichen. Klären Sie unsere Bürgerinnen und Bürger über Bogida, Pegida usw. auf, aber erwecken Sie nicht den Eindruck, nur „linksradikale“ Gruppen hätten am gestrigen Abend am Kaiserplatz ein Zeichen gesetzt.

Wenn wir uns angeblich Sorgen um das christliche Abendland machen, dann sollten wir zunächst einmal damit beginnen, christliche Werte zu leben.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

A.S. aus Bonn

 

 

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